Frauen auf der Flucht

Die Hälfte aller Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, sind Frauen und Kinder. Die Fluchtursachen von Frauen sind vielfältig. Frauen und Kinder fliehen ebenso wie Männer vor lebensbedrohlicher Gewalt oder Krieg. Politische Aktivitäten, Glauben oder die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder sozialen Gruppe können Fluchtursachen bei Frauen sein.

Refugee Women

von Agnes Andrae

Die Hälfte aller Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, sind Frauen und Kinder. Die Fluchtursachen von Frauen sind vielfältig. Frauen und Kinder fliehen ebenso wie Männer vor lebensbedrohlicher Gewalt oder Krieg. Politische Aktivitäten, Glauben oder die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder sozialen Gruppe können Fluchtursachen bei Frauen sein.

Aber sie flüchten auch vor geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt. Dazu zählen unter anderem Vergewaltigungen - teils als militärische Strategie, sexuelle Ausbeutung, Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung, Zwangsverschleierung und Übergriffe wegen ihrer sexuellen Identität.

Auch während der Flucht sind Frauen und Mädchen in erhöhtem Maße von Gewalt und sexualisierten Übergriffen bis hin zu sexueller Ausbeutung, Frauenhandel und Zwangsprostitution bedroht oder betroffen; hier vor allem alleinstehende Frauen. 

In Deutschland angekommen, birgt die Unterbringung in Massenlagern weitere gewaltbegünstigende Faktoren: Mehrbettzimmer, mangelnde Privatsphäre, gemeinsame Nutzung der Sanitäranlagen, angespannte Atmosphäre, permanente Kontrolle durch Sicherheitsdienst, Polizeieinsätze und Abschiebungen: Der Alltag in den Flüchtlingslagern ist nicht selten geprägt von physischer, psychischer und struktureller Gewalt, von Machtmissbrauch und Unterdrückung, von Ausgrenzung und Demütigung.

Aufgrund von nationalen und internationalen Vorschriften ist Deutschland verpflichtet, geflüchtete Frauen und ihre Kinder vor Gewalt jeglicher Form zu schützen: u.a. durch den UN Zivilpakt, den UN Sozialpakt, die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW und die UN Kinderrechte-Konvention, durch die Istanbul-Konvention des Europarates, durch die EU-Aufnahmerichtlinie und durch das Grundgesetz.

Von besonderer Bedeutung ist dabei die Istanbul-Konvention des Europarates. Sie ist Anfang Februar 2018 als rechtlich bindendes Menschenrechtsinstrument in Deutschland in Kraft getreten. Die Istanbul-Konvention verfolgt unter anderem die Ziele, Betroffene vor Gewalt zu schützen, einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und mit umfassenden politischen und sonstigen Maßnahmen den Rahmen für die Gewährleistung  von  Schutz  und  Unterstützung  der  Betroffenen sowie der Strafverfolgung der Täter*innen zu schaffen. Sie verpflichtet die Vertragsparteien, die spezifischen Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen zu berücksichtigen und sieht die Einrichtung von leicht zugänglichen Schutzeinrichtungen vor.

Welche Staaten die Konvention unterzeichnet bzw. Ratifiziert haben, finden Sie hier.

Die Türkei ist nun Ende März 2021 aus dem Vertrag ausgestiegen. Die Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdogan begründen dies damit, dass die Konvention eigentlich zum Schutz für Frauenrechte vorgesehen sei, nun aber dazu benutzt werde, um Homosexualität zu normalisieren. Eine homophobe Begründung, die nun Frauen und die LGBTIQ*-Community in der Türkei verunsichert und verängstigt. (1) Landesweit finden Proteste gegen den Ausstieg statt und das UN-Menschenrechtsbüro ermahnt die türkische Regierung, den Ausstieg zurückzunehmen. (2)

Bisherige Maßnahmen zum Schutz der Frauen greifen zu kurz, da die Unterbringung in Massenunterkünften selbst Gewalt begünstigt. Es liegt daher an der Bayerischen Staatsregierung Verbesserungen anzustoßen.

Dabei hat Gewalt viele Gesichter: Sie reicht von Beleidigung und Diskriminierung über Belästigung und Bedrohung bis hin zu psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt. Kinder sind oft Zeug*innen, aber auch selbst betroffen von psychischer und physischer Gewalt, von Drohungen, Abschiebungen und Polizeieinsätzen. Gerade in Massenunterkünften, in denen es an Rückzugsmöglichkeiten fehlt, sind sie besonders gefährdet. Sie zeigen Symptome von Unruhe und Angst, haben Schlafstörungen oder ziehen sich zurück.

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Quellen:

(1) Tagesschau: Als würden sämtliche Rechte gestrichen

(2) Süddeutsche Zeitung: UN-Appell zu Istanbul-Konvention
 

Weitere Informationen:

* Die Istanbul-Konvention kann hier abgerufen werden.

Betroffene Frauen können Beratung beim Projekt "We talk" des Bayerischen Flüchtlingsrats erhalten. Das Projekt berät betroffene Frauen oder Bezugspersonen vertraulich und anonym. Weitere Infos hierzu finden Sie hier.